Interview mit Prof. Dr. Marion Ackermann, Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden
Ursprünglich war eine Lesung mit Prof. Dr. Marion Ackermann auf der Marktbühne geplant, die leider kurzfristig abgesagt werden musste. Wir danken für das ersatzweise geführte Interview.
Sie sind Kunsthistorikerin, Kuratorin und seit 2016 Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, zuvor waren Sie Leiterin des Kunstmuseums Stuttgart und der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen. Leben Sie gern im sächsischen Elbland? Welche Gegend, welchen Ort lieben Sie besonders?
Ich liebe es, am wilderen Ufer der Elbe zu laufen, mit seinen naturbelassenen Wiesen. In den jeden Tag in etwas anderer Geschwindigkeit dahinströmenden Fluss tauche ich im Sommer gemeinsam mit meinem Jack Russell auch mal gerne ein. Zwischen Fährgarten Johannstadt und Blauem Wunder bin ich beim Blick auf die Schlösser immer wieder überwältigt von der Schönheit des Elbtals.
Welches Projekt der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden liegt Ihnen derzeit besonders am Herzen?
Die Kinnderbiennale im Japanischen Palais „Planet Utopia“. Es ist faszinierend, welche magischen Räume hier 130 Kinderbeiräte gemeinsam mit Künstlerinnen und Künstlern gestaltet haben. Alle sind bei freiem Eintritt willkommen.
Und welche Ausstellung sollten wir in diesem Jahr unbedingt besuchen?
Caspar David Friedrich – er wird bei uns „ganzheitlich“ präsentiert: Er hat ja 40 Jahre in Dresden gelebt. Man kann seine Liebe zur Sächsischen und Böhmischen Schweiz vor Ort nachvollziehen und die Schulung seines Blicks an der Sammlung der Gemäldegalerie Alte Meister. Man beginnt in Dresden zu erahnen, wie große Kunst entsteht, wie das Neue in die Welt kommt. Vier unserer Sammlungen sind beteiligt: Das Kupferstich-Kabinett, in dem auch seine Schriften verwahrt sind, das Albertinum, die Gemäldegalerie Alte Meister und das Münzkabinett.
Das Literaturfest Meißen stellt in diesem Jahr die Dichter und Maler der Romantik in den Vordergrund. Für Ihre Lesung hatten Sie Reiseerzählungen von Hans Christian Andersen ausgewählt: „Schattenbilder einer Reise in den Harz, die Sächsische Schweiz etc. etc. im Sommer 1831“. Warum fiel Ihre Wahl auf dieses Buch?
Der Harz ist die sagenumwobene Gebirgslandschaft meiner Kindheit. In den „Schattenbildern” ist jene wunderbar beschrieben. Erst in Vorbereitung auf das Literaturfest in Meißen entdeckte ich, dass Andersen von dort den Bogen bis nach Sachsen spannt und in liebevollen romantisch-ironischen Beschreibungen die Natur, die Menschen und die Kunstschätze charakterisiert. Ich kann die Lektüre dieses fast 200 Jahre alten Textes nur empfehlen.
Bleibt Ihnen neben Ihrer verantwortungsvollen Arbeit noch Zeit zum Lesen? Vielleicht im Urlaub?
Oh ja. Lesen von Literatur ist für mich überlebenswichtig. Mein brennendes Interesse an alles zeitgenössischen Ausdrucksformen führt mich zu einer fast systematischen Lektüre von Literatur „des Ostens“: zum Beispiel von Lutz Seiler, Lukas Rietzschel oder Ines Geipel.
Haben Sie ein Lieblingsbuch, das Sie schon mehrfach gelesen haben und vielleicht sogar immer wieder zur Hand nehmen? Oder einen Lieblingsautor/eine Lieblingsautorin, von dem/der Sie am liebsten ALLES lesen würden?
Ich belasse in meinen Bücherregalen nur Literatur, die ich liebe. Dann lasse ich mich von Tagesstimmungen leiten und greife nach etwas: zuletzt Heinrich Böll „Dr. Murkes gesammeltes Schweigen“, Italo Calvino, „Der Baron auf den Bäumen“, „Slaughterhouse-Five” von Kurt Vonnegut, Swetlana Alexandrowna Alexijewitschs „Chernobyl Prayer. A Chronicle of the Future“, und Virginia Woolf, „Mrs. Dalloway”. Alle ganz verschieden, aber in verschiedenen Lebensabschnitten bedeutsam und eignen sich zum Wieder- und Wiederlesen.
Vielen herzlichen Dank, liebe Frau Dr. Ackermann!
Wir würden uns sehr freuen, Sie bald einmal in Meißen begrüßen zu können.
Das Interview führte Maria Fagerlund.