Der Preis zur Förderung des AutorInnen-Nachwuchses
Das Literaturfest bietet Raum für viele unterschiedliche Bücher. Aber immer sind einige dabei, die uns ganz besonders berühren und die wir dem Publikum besonders ans Herz legen möchten. Seit 2019 haben wir dank der großzügigen Förderung des Rotary Clubs Meißen die Möglichkeit, als Abschluss und Höhepunkt jedes Literaturfests einen Preis zu verleihen. Der Rotary Club Meißen stiftet das Preisgeld in Höhe von 1.000 €, das wir auf die beiden Bücher aufteilen, die uns während der Vorbereitungen zum Literaturfest besonders angesprochen haben. Im Sinne der Nachwuchs- und Talentförderung zeichnen wir nicht nur zwei Bücher, sondern auch zwei Autor:innen aus, die am Beginn ihrer schriftstellerischen Karriere stehen. Wir würden gern mehr von ihnen lesen und warten mit Spannung und Vorfreude auf ihre nächsten Werke.
Literaturfest-Preis 2025
für Elke Lorenz und Julia Hoch
Elke Lorenz „Machtworte“
Mitteldeutscher Verlag, 2022

Der Preis des Literaturfestes soll eine Nachwuchsförderung sein, aber wir zeichnen nicht zwangsläufig ganz junge Autoren und Autorinnen aus, sondern neue Stimmen auf dem Buchmarkt, von denen wir gern mehr lesen würden, die wir ermutigen möchten, weiter zu schreiben. Manche Menschen veröffentlichen erst später im Leben ihr erstes Buch, und sind dann eben mit 75 Jahren Nachwuchsautorin.
Der Preis geht an Elke Lorenz für ihren späten Erstling „Machtworte“.
Machtwort, Wortmacht. Macht und Angst. Wir lesen von einem Kind, das mit einem wortgewaltigen Vater aufwächst. Vom ersten Absatz an hat uns dieses schmale, schlichte Buch mit seinem ganz eigenen, herben Stil sehr berührt, und wir möchten mehr von diesem Kind wissen, das nie eine Meinung, keine eigenen Worte haben durfte, das immer in Angst vor dem Vater lebte. Und wir sind sehr froh, dass das Kind von damals seine Stimme gefunden und erhoben hat.
Sie können dieses Buch unter ganz verschiedenen Gesichtspunkten lesen und gut finden, zB auch um zu erfahren warum Menschen ticken wie sie ticken, warum viele Menschen nicht gern aus der Masse hervorstechen oder ihnen Eigeninitiative schwerfällt. Mich hat das Buch unter einem ganz anderen Aspekt angesprochen, nämlich Kinderrechte. Artikel 1 GG meint ja nicht nur große Menschen, da steht ja nicht „Die Würde des erwachsenen Menschen ist unantastbar“, sondern der gilt auch für kleine Leute. Kinder haben ein Recht auf freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit und auf ein angstfreies Aufwachsen.
Dafür ist „Machtworte“ ein starkes Plädoyer, und wir verleihen den Preis des Literaturfestes sehr gern an Elke Lorenz.
Julia Hoch, „Frau Putz“
Ulrike Helmer Verlag, 2024

Kerstin Wischnewski putzt. Wir begleiten die selbstständige Reinigungsfachkraft einige Wochen lang zu ihrer Kundschaft. Zu ihren Kunden zählen Privathaushalte, eine Büroetage und ein wirklich seltsames Atelier. Überall gibt es andere Regeln zu beachten und in jedem Objekt muss sie sich an die besonderen Erwartungen der Kunden anpassen. Mal soll sie möglichst unsichtbar sein, am besten gar nicht vorhanden, dann wieder soll sie nicht nur putzen, sondern auch als Dienstmädchen, Pflegepersonal oder als Sozialarbeiterin fungieren.
Kerstin ist immer nur „die Putzfrau“. Nie wird sie als Mensch wahrgenommen. Nie fragt jemand, wie es ihr geht. Sie soll einfach nur funktionieren.
Wir haben Teil an Kerstins innerem Monolog, in dem sie immer wieder versucht, ruhig zu bleiben und sich vieles gefallen zu lassen, denn sie braucht den Job ja!
Zugleich kämpft sie darum, ihre Würde zu bewahren – ihre eigene, ihr schmerzhaft bewusste, unantastbare Menschenwürde,
die immer wieder grob von ihrer Kundschaft angetastet wird.
Das Buch liest sich herrlich. Der Roman thematisiert auf sehr berührende und zugleich humorvolle Weise, wie Kerstin mit den Zumutungen und der Respektlosigkeit in ihrem Alltag umgeht. Die Autorin schafft es, die Absurdität und die Tragik dieser Situationen zu betonen, ohne dass die Geschichte jemals belehrend oder mitleidig wirkt. Das gibt uns einen sehr lesenswerten Anstoß, uns zu fragen, wie wir, die wir in einer Dienstleistungsgesellschaft leben, unsere Mitmenschen behandeln und wertschätzen.
Dafür verleihen wir sehr gern den Preis des Literaturfestes an Julia Hoch.
Die Shortlist 2025
Aus den Titeln, die beim Literaturfest von Autor:innen vorgestellt werden, kristallisiert sich eine erste Auswahl hervorragender Bücher heraus. In diesem Jahr haben es neun Bücher auf die Shortlist geschafft. Eine siebenköpfige Jury hat sich mehrfach getroffen, um die Bücher reihum vorzustellen, sie untereinander weiterzugeben, kurze Auszüge vorzulesen und Eindrücke auszutauschen.
- Dirk Bernemann „an und für sich“ (Edition Outbird)
Lesung Samstag 14. Juni, 19:00 Uhr auf der Verlagsbühne Heinrichsplatz
Ein einsamer Mann beschreibt 12 Monate in Berlin – unterhaltsam und originell, sarkastisch und nihilistisch, über die Einsamkeit in ihren vielen Facetten - Said Boluri „Der Himmel über der Grenze“ (Eckhaus Verlag)
Lesung Sonntag 15. Juni, 16:00 Uhr auf der Interkulturellen Bühne Schulplatz
Ein iranischer Junge flieht mit seiner Familie vor politischer Verfolgung nach Deutschland und schreibt über sein Aufwachsen hier – empfehlenswert, gut zu lesen, wichtiger Einblick - Julia Hoch „Frau Putz“ (Ulrike Helmer Verlag)
Lesung Sonntag 15. Juni, 14:00 Uhr auf der Verlagsbühne Heinrichsplatz
Aus dem Leben einer Haushaltshilfe, über ihre absurde Rolle in den Klientenfamilien, wo sie einerseits möglichst unsichtbar sein soll, gleichzeitig jedoch sehr nah und persönlich dran ist – macht wütend, ist aber herrlich verrückt und sehr gut zu lesen - Elsa Koester „Im Land der Wölfe“ (Frankfurter Verlagsanstalt)
Lesung Sonntag 15. Juni, 14:00 Uhr auf der Hauptbühne Markt
Eine junge Berlinerin soll in der sächsischen Provinz eine Grüne Kandidatin coachen und findet alle ihre Vorurteile über den Osten zugleich bestätigt und widerlegt, Kulturschock Ost/West und Stadt/Land – klischeelastig aber faszinierend, liest sich gut, teils wunderschön - Iris Antonia Kogler „Inside Underdog“ (Mirabilis Verlag)
Lesung Samstag 14. Juni, 17:00 Uhr auf der Verlagsbühne Heinrichsplatz
Eine junge Frau berichtet aus ihrem prekären Arbeitsleben – krass, ernüchternd, wichtige Einblicke - Sabine Lehmbeck „Benefiz“ (Ultraviolett Verlag)
Lesung Samstag 14. Juni, 13:00 Uhr auf der Verlagsbühne Heinrichsplatz
8 Frauen, 8 Schicksale, 8 ganz unterschiedliche Realitäten, deren Verknüpfung miteinander erst nach und nach deutlich wird – kurz angerissene interessante Einblicke, schönes Facettenbild unserer Gesellschaft - Elke Lorenz „Machtworte“ (Mitteldeutscher Verlag)
Lesung Samstag 14. Juni, 14:00 Uhr auf der Verlagsbühne Heinrichsplatz
Aufwachsen mit einem sprachgewaltigen Vater, der immer Recht hat, und wie die Tochter erst als junge Frau eigene Worte findet und entdeckt, dass sie auch Meinungen haben darf – sehr berührend und persönlich, tragisch, große Empfehlung - Boris Matić „Deans Reise“ (Edition Überland)
Lesung Sonntag 15. Juni, 12:00 Uhr auf der Verlagsbühne Heinrichsplatz
Ein in Deutschland aufgewachsener Junge fährt mit dem Onkel zurück nach Bosnien-Herzegovina und beschreibt die Identitätssuche und Zerrissenheit zwischen zwei Heimaten – schöne Geschichte, persönlich und anrührend - Eva-Martina Weyer „Tabakpech“ (Stroux Edition)
Lesung Freitag 13. Juni, 19:00 Uhr auf der Verlagsbühne Heinrichsplatz
Eine Familiengeschichte über mehrere Generationen, Tabakanbau im Odertal – interessant und sehr schön zu lesen
Bisher wurde der Preis vergeben an:
2024
Cécil Joyce Röski für „Poussi“
Benjamin Baumann für „Kollateralschädel“
2023
Karolina Kuszyk für „In den Häusern der anderen“
Marlen Hobrack für „Schrödingers Grrrl“
2022
Julia Gilfert für „Himmel voller Schweigen“
Martina Altschäfer für „Andrin“
2021
Julia Rothenburg für „Mond über Beton“
Anselm Oelze für „Die Genzen des Glücks“
2020
Franziska Wilhelm für „Die schönsten Abgründe des Alltags“
Barbara Handke für „Sommergäste“
2019
Rosa Domaschke für „Für Louise …“
Lisa Kränzler für „Coming of Karlo“
Literaturfestpreis 2024
für Cécil Joyce Röski und Benjamin Baumann
Immer am Sonntagnachmittag findet zum krönenden Abschluss des Literaturfests die mit Spannung erwartete Verleihung des jährlichen Literaturfestpreises statt.
Der Preis für 2024 ging an zwei Autorinnen:
Cecil Joyce Röski für „Poussi“ und Benjamin Baumann für „Kollateralschädel“
Cécil Joyce Röski

Laudatio der Jury des Literaturfestes:
„Ich habe jetzt die große Ehre und Freude, den Preis des Literaturfestes 2024 an Cécil Joyce Röski zu verleihen für das wunderbare Buch “Poussi”.
Erzählt aus der Ich-Perspektive von Ibli, einer jungen Sexarbeiterin, die in einem Bordell aufwächst, lebt und arbeitet, und nun zum ersten Mal hinausgerät in die Welt, in unsere Alltagswelt, deren Regeln, Gesetze und Sprache sie nicht kennt.
In unbedarfter Sprache erzählt Ibli aus ihrem Milieu, das für uns ebenso bedrohlich und fremd ist, wie unsere Welt es für sie ist. Ein herzerfrischender Perspektivwechsel, unverdorben und niemals anzüglich. Trotz Iblis hässlicher, harter Realität macht das Buch unglaublich viel Spaß. Die Protagonistin und ihre Sprache bleiben stets liebenswert und sind niemals unanständig oder obszön.
Ein Buch, das uns vor Augen führt, dass sich Parallelwelten um uns herum befinden, von denen wir nichts ahnen, und dass wir unseren Mitmenschen nicht ansehen, wie anders ihre Lebensrealitäten von unserer eigenen sind.
Vielen Dank für dieses wirklich beeindruckende Buch, aus dem wir jetzt noch einen kurzen Ausschnitt hören, an Cécil Joyce Röski.“
Maria Fagerlund

Kurzbeschreibung
“Unsere Türen stehen für die Pois immer offen. Meine Tür ist auch offen, jeder Poi kann eintreten, Zeit mit mir verbringen und ich verbringe dann Zeit mit ihm. Ich bin immer da.”
Ibli ist Anfang zwanzig und wohnt und arbeitet im Palast, einem einst glanzvollen Bordell, das ihrem Vater gehörte. Iblis Vater, das ist Lackschuh. Zu Hochzeiten des Palastes führte er ein ausschweifendes Leben, nun verfolgt ihn der Bankrott. Seine Tage verbringt er – längst der Sucht verfallen – am Spielautomaten im Café Keese.
Ibli aber ahnt, dass es außerhalb des Palasts eine Welt geben muss, in der es in den Fahrstühlen nicht nach Pisse stinkt und wo die Menschen in ihren Wohnungen gemütlich Tee trinken. Eine Welt, in der es nicht allein darum geht, mit einem „sexi Bodi“ zahlende Kundschaft anzulocken. Als es im Palast zu einem Eklat kommt, ergreift Ibli die Flucht – mit ungewissem Ausgang.
Verlag: https://hoffmann-und-campe.de/products/63848-poussi
Benjamin Baumann

„Der Preis des diesjährigen Literaturfestes geht zunächst an Benjamin Baumann für den schmalen Band Kollateralschädel. In
kurzen Texten und Gedichten setzt es sich mit dem alltäglichen Spagat auseinander, der uns alle umtreibt:
Wie nah dürfen wir die Welt an uns heranlassen, ohne dass wir an ihr zerbrechen?
Aber:
Wie weit dürfen wir uns in unsere Komfortzone zurückziehen und die Realität ausblenden?
Dieses Buch ist das nackte Gewissen. Man liest drei Zeilen und hat sofort das ganze Gewicht der Welt auf den eigenen Schultern. Und dann gibt uns das Buch doch Hoffnung und Glauben zurück, denn immer geht es um Menschen und Einzelschicksale. Benjamin Baumann gibt ihnen Gesichter und Namen.
Im Einleitungstext unseres Programmheftes steht etwas von positiver Weltflucht – die endet hier. Denn wir dürfen die Augen nicht verschließen vor dem, was um uns herum geschieht. Wir müssen uns Empathie und Menschlichkeit bewahren, auch und gerade, wenn es wehtut.“
Maria Fagerlund

Kurzbeschreibung
Kollateralschädel verweist – mit konkretem Bezug auf das Wording der amerikanischen Regierung hinsichtlich ihrer Drohnenangriffe im Nahen Osten – auf die zivilen Opfer politischer und gesellschaftlicher Willkür. Die Opfer tauchen als zunächst blasse Konturen wechselnder Tagesnachrichten auf, mal entstammen sie der persönlichen Erinnerung, mal einem kollektiven Geschichtsbewusstsein. Die Erzählstimme problematisiert die Absurdität des eigenen Alltags im Spiegel ihres Weltwissens. Sie versucht die Unvereinbarkeit dessen, was gleichzeitig hier und dort geschieht, in eine gedankliche – also sprachliche – Form zu bringen. Der Erzähler bemüht sich um eine Identifikation mit den anonymen Opfern, gibt ihnen Namen und erprobt die Grenzen seiner Empathie, verfällt in radikale Selbstzweifel, sucht nach Trost, ohne dafür die Schonungslosigkeit gegenüber der eigenen Scham aufgeben zu wollen. Aus der Spannung von moralischem Anspruch, medialem Zynismus und alltäglichen Bedürfnissen ergibt sich der düster-ironisch-melancholische Ton des Textes, seine assoziativen Einschübe aus Newsflashs, Rückblenden und Gedankensplittern sowie die unmittelbare Mündlichkeit als Ausdruck eines Mitleidens, das sich vorgenommen hat, nicht abzustumpfen.
Leipziger Literaturverlag: https://l-lv.de/neu/baumann-benjamin-kollateralschaedel.html
Literaturfestpreis 2023
für Karolina Kuszyk und Marlen Hobrack
Am Sonntagnachmittag fand zum krönenden Abschluss des Literaturfests die mit Spannung erwartete Verleihung des Literaturfestpreises statt, den Frau Barbara Klepsch, Sächsische Staatsministerin für Kultur und Tourismus und neue Schirmherrin des Literaturfestes, überreichte.
Der Preis ging an zwei Autorinnen:
Karolina Kuszyk für „In den Häusern der anderen“ und Marlen Hobrack für „Schrödingers Grrrl“
Karolina Kuszyk

Laudatio der Jury des Literaturfestes:
„Wir alle wissen, dass große Teile des heutigen Polen einmal überwiegend von Deutschen bewohnt waren, und die meisten von uns fühlen eine große Unsicherheit im Umgang mit diesem Thema – dürfen wir traurig sein über damals erfahrene Verluste? Wie arbeiten wir geschehenes Unrecht auf, wer sind die Opfer, wer sind die Täter? Kann man den Vertriebenen – egal welcher Nationalität – ihr Leid absprechen? Wann verjährt der Schmerz, die Heimat verloren zu haben? Wir reden über Unrecht, das vor über 70 Jahren geschehen ist.
Meißens Partnerstadt Legnica war einmal die deutsche Stadt Liegnitz. Aus dieser Stadt kommt die polnische Autorin Karolina Kuszyk und nimmt uns in ihrem Buch „In den Häusern der anderen“ mit auf Entdeckungsreise dorthin. Ganz ohne Groll und ohne Vorwurf zeigt sie uns die Spuren, die die deutsche Bevölkerung bis heute im Alltagsleben Legnicas hinterlassen hat und ergründet, wie die heutige Bevölkerung mit dem vorhandenen Erbe umgeht. Anhand von Häusern, Inschriften, Haushaltsgegenständen und kleinsten Details erfolgt eine vorsichtige, freundliche Annäherung an eine komplizierte, widersprüchliche Vergangenheit.
Das Buch „In den Häusern der anderen“ ist aber nicht nur inhaltlich wichtig, sondern liest sich auch wunderbar. Karolina Kuszyk schreibt mit gekonntem Sprachwitz, großer Detailfreude und einer fliegenden Leichtigkeit, ohne die Tragik des Geschehens aus den Augen zu lassen.
Ein wertvoller und absolut lesenswerter Beitrag nicht nur zur deutsch-polnischen Verständigung allgemein, sondern auch ganz konkret und lokal zum gegenseitigen Verstehen und Aufeinanderzugehen im Rahmen unserer Städtepartnerschaft zwischen Legnica und Meißen. Dafür danken wir Karolina Kuszyk von Herzen und verleihen ihr sehr gern den Literaturfestpreis 2023.“
Der Preis wurde in Abwesenheit der Autorin verliehen, dazu hier ihre Danksagung:
„Sehr geehrte Jury des Literaturfestpreises, sehr geehrte Damen und Herren, liebes Publikum,
mit großer Freude, Stolz und Dankbarkeit nehme ich den Preis des Meißner Literaturfestes entgegen.
Ich freue mich, dass das Thema meines Buches – nämlich die deutsche Vergangenheit in der polnischen Nachkriegszeit und Gegenwart – auch in Deutschland auf so viel Interesse und wohlwollende Resonanz stößt.
Das gibt mir Zuversicht und Hoffnung.
Denn ich bin überzeugt, dass wir als Nachbar uns alles sagen dürfen, wie der große Verfechter des deutsch-polnischen Dialogs, Jan Józef Lipski, mal sagte. Ohne schwierige und unbequeme Kapitel auszuklammern. Und stets mit selbstkritischer Distanz und dem Sinn für die Ironie und die Absurditäten unserer gemeinsamen Geschichte.
Für dieses schöne und abwechslungsreiche Literaturfest im wunderschönen Meißen bedanke ich mich bei den Organisator:Innen und allen Schriftsteller:Innen ganz herzlich – auch als Vertreterin meiner Heimatstadt Legnica – es war mir eine Ehre, es mitgestalten zu dürfen.
Mit herzlichen Grüßen
Karolina Kuszyk „

Marlen Hobrack
Marlen Hobrack für den Roman „Schrödingers Grrrl“. Erschienen im Verbrecher Verlag.
Sie las Sonntag, 11. Juni 2023, 14 Uhr auf der Hauptbühne am Marktplatz.
Laudatio der Jury des Literaturfestes:
„Eine junge Frau gewinnt hier und heute einen Preis für ein Buch, in dem es um eine junge Frau geht, die als Autorin berühmt wird und Preise gewinnt – aber KEIN Buch geschrieben hat. Der Roman Schrödingers Grrrl ist ein Verwirrspiel aus Fiktion und Autofiktion, eine Satire auf den Literaturbetrieb, und die Jury hatte wirklich hohe Erwartungen an dieses Buch. Wer liest schließlich nicht gern eine richtig bissige, kluge Satire.
Aber dann kam die große Überraschung: Schrödingers Grrrl ist gar nicht bissig und fies. Vielmehr ist es ein sehr bewegendes Buch über eine Generation und eine junge Frau, die mit Social Media aufgewachsen ist und mit ihrer online Persönlichkeit, ihrem Schein-Leben, viel besser klarkommt als “in real life”. Die Jury war überwältigt von der liebenswerten, völlig überforderten Protagonistin, und weil wir die ja nicht tröstend in den Arm nehmen können, verleihen wir ihrer Schöpferin sehr gern den Literaturfestpreis 2023.“
Literaturfestpreis 2022
Julia Gilfert und Martina Altschäfer
Zum krönenden Abschluss des Literaturfest Meißen 2022 wurde am Sonntagnachmittag auf der Lesebühne Marktplatz wieder der Literaturfestpreis vergeben.
In diesem Jahr teilen sich wieder zwei Autorinnen den Preis: Julia Gilfert konnte die Jury mit ihrem Debütroman „Himmel voller Schweigen“ (Ultraviolett Verlag) überzeugen. Martina Altschäfer wurde für ihren Roman „Andrin“ (Mirabilis Verlag) ausgezeichnet.


Der Preis ist mit 1000 Euro dotiert und wird vom Rotary Club Meißen gestiftet. Der Fokus liegt auf der Nachwuchsförderung und soll helfen, noch unbekannte Autor*innen am Anfang ihrer Schreibkarriere zu ermutigen und zu bestätigen.
Julia Gilfert las in Meißen nicht nur aus ihrem Buch, sondern spielte auch das „Wiegenlied“ ihres von den Nationalsozialisten während der „Euthanasie“-Welle ermordeten Großvaters Walter Frick. Das Leben des Dirigenten und Komponisten (1908–1941) zeichnet die Autorin in „Himmel voller Schweigen“ nach.
Martina Altschäfer erzählt in „Andrin“ von einer Ghostwriterin, die unversehens in einem fast verlassenen Dorf in den Schweizer Alpen strandet. Aus einer Notübernachtung werden Tage, Wochen, Monate, in denen sie ebenso Ungewöhnliches wie Faszinierendes erlebt.
Großen Jubel über den Preis gab es auch bei den Macherinnen hinter den Kulissen. „Wir sind ganz beseelt und glücklich und in Feierstimmung“, freute sich Mirabilis-Verlegerin Barbara Miklaw. Und Katja Völkel, Chefin des Ultraviolett Verlags, teilte bei Facebook stolz ein Foto von sich und Autorin Julia Gilfert mit der Zeile „So sehen ganz schön glückliche Gewinnerinnen aus.“
Unter dem Motto ‘Lesen und lesen lassen’ konnte sich das Publikum beim diesjährigen Literaturfest bei zahlreichen – auch kontrovers diskutierten – Programmpunkten auf neue Perspektiven einlassen, die vor den Bühnen und zwischen den Zeilen zu Diskussionen und Austausch anregten.
Wer sich aufmachte, Vertrautes zu sehen, fand Vertrautes – und konnte auch über Neues stolpern. Auf Schritt und Tritt gab es Überraschungen zu entdecken, die Entscheidung fiel schwer zwischen über 170 Programmpunkten. Neben dem üblichen Format der Autorenlesung gab es auch einen Vorlesefriseur, die Buchstände der Verlage auf dem Heinrichsplatz bis hin zu Musik in der Vorsommernacht.
Internetlinks:
„Himmel voller Schweigen“ von Julia Gilfert im Ultraviolett Verlag
„Andrin“ von Martina Altschäfer im Mirabilis Verlag
Literaturfestpreis 2021
Julia Rothenburg und Anselm Oelze
Seit 2019 wird als Abschluss des eintrittsfreien Lesefestivals jährlich der vom Rotary Club Meißen gestiftete Literaturfestpreis verliehen. Der mit 1000€ dotierte Preis soll eine Förderung und Anerkennung besonders für junge Schriftsteller sein, so Hans-Christoph von Zahn, der für den Rotary Club bei der Preisverleihung zugegen war.
Wie schon im Vorjahr wurde der Preis auch 2021 auf zwei Nachwuchsautoren aufgeteilt: Julia Rothenburg und Anselm Oelze wurden von einer Jury aus den zahlreichen anspruchsvollen Beiträgen ausgewählt und lasen jeweils einen kurzen Auszug aus ihren Texten auf der großen Bühne am Markt.

Die Berliner Autorin Julia Rothenburg (Jahrgang 1990) überzeugte mit ihrem zweiten Roman ‚Mond über Beton‘, der im sozialen Brennpunkt Berlin Kottbusser Tor nicht nur einen buntgemischten Chor von Anwohnern, sondern auch das Haus zu Wort kommen lässt, in dem sie alle leben: einen hässlichen, aber überraschend feinfühligen Betonklotz, in dem alle Fäden der vielschichtigen Handlung zusammenlaufen.
‚Mond über Beton‘ von Julia Rothenburg

Im Anschluss bekam das Publikum noch einen Einblick in ‚Die Grenzen des Glücks. Eine Reise an den Rand Europas‘ von Anselm Oelze. Der 1986 geborene, in Leipzig lebende Autor reiste auf die griechische Insel Lesbos, kurz nachdem dort vor gut einem Jahr das größte Flüchtlingslager Europas niederbrannte, und beleuchtet in seinem kurzen, aber eindringlichen Buch die Hintergründe der humanitären Katastrophe, die sich dort abspielt.
Oelze beendete seine Lesung mit einem Appell an die Zuhörer, sich vor allem im Hinblick auf die anstehende Bundestagswahl mit den Fragen zu befassen, die wir als Gesellschaft uns stellen müssten: Wie sieht das Europa aus, das wir wollen? Welche Verantwortung tragen wir?
‚Die Grenzen des Glücks. Eine Reise an den Rand Europas‘ von Anselm Oelze
Ein würdiges Schlusswort eines gelungenen Literaturfestes in nachdenklichen Zeiten.