18. Juni 2024, Sächsische Zeitung
Literaturfest in Meißen: Nach dem Fest ist vor dem Fest
Das Literaturfest Meißen ist für dieses Jahr Geschichte, die Planungen für das kommende Jahr sind bereits angelaufen. Die Veranstalter freuen sich über gute Besucherzahlen.
Das Literaturfest 2024 ist am Sonntag, dem 16. Juni, mit der jährlichen Preisverleihung zu Ende gegangen. Der vom Rotary Club vergebene Preis ging in diesem Jahr an Benjamin Baumann für seinen politischen Gedichtband „Kollateralschädel“ sowie an Cécil Joyce Röskis Roman „Poussi“. „Wir zeichnen damit zwei wirklich außergewöhnliche, mutige und radikale Bücher aus“, so Veranstalter Daniel Bahrmann.
Mehr Besucher als im Jahr zuvor
Baumanns Buch nimmt Bezug auf die zivilen Opfer politischer und gesellschaftlicher Willkür. Zwischen moralischem Anspruch, medialem Zynismus und alltäglichen Bedürfnissen entsteht eine Spannung, die Ausdruck eines Mitleidens ist, das sich vorgenommen hat, nicht abzustumpfen. Der Autor, 1985 im sächsischen Rodewisch geboren, besuchte als Arbeiterkind die TU Dresden und später die FSU Jena, um Philosophie und Ethik zu studieren. Sein Buch ist im Februar im Leipziger Literaturverlag erschienen.
Cécil Joyce Röski wiederum wurde 1994 in Schleswig-Holstein geboren, studierte am Literaturinstitut in Leipzig. Der Debütroman „Poussi“ erschien im vergangenen Jahr bei Hoffmann und Campe. Er dreht sich um die Sexarbeiterin Ibli, die von einer Welt außerhalb des heruntergekommenen Bordells namens Palast träumt und schließlich die Flucht ergreift. Programmkoordinatorin Maria Fagerlund vom Meißner Kulturverein zeigte sich hochzufrieden mit der inzwischen 15. Auflage des Literaturfestes: „Aus unserer Sicht als Veranstalter war es ein wunderbares Wochenende.“ Sie lobt auch die verlässliche Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung, den Sponsoren und Programmpartnern.
Rund 200 Lesungen lockten an drei Tagen ein großes Publikum an die 39 Leseorte im Stadtgebiet. Über 100 Autorinnen und Autoren stellten ihre eigenen Werke vor, die Meißnerinnen und Meißner lasen aus ihren Lieblingsbüchern.
Im vergangenen Jahr hätte man bei allen Lesungen zusammengenommen zwischen 14.000 und 16.000 Besucher zählen können, gibt Organisator Daniel Bahrmann an. In diesem Jahr wären es gefühlt noch mehr gewesen.
Ärger um Krumbiegel nur online
Ein Gast sorgte im Vorfeld in den sozialen Medien für Widerspruch: Sebastian Krumbiegel, der politisch engagierte Autor und Sänger der Band Die Prinzen. Er las am Freitag aus seiner in diesem Jahr beim Ventil Verlag veröffentlichten Autobiografie „Meine Stimme. Zwischen Haltung und Unterhaltung“. Krumbiegel, der sich in der Vergangenheit unter anderem gegen Rechtsextremismus aussprach und auch bei der „Wir sind die Brandmauer“-Demonstration in Dresden am 8. Juni zu Gast war und einige Lieder spielte. Seine Teilnahme hatte besonders auf Facebook für Unmut gesorgt: „Den Staatstreuen Klops braucht keiner, der kann weg“, schrieb ein Kommentator, „Danke für die Vorwarnung! Genosse Fettie braucht keiner den ich kenne!“, ein anderer. Etliche weitere Kommentare in dieser Manier äußerten sich negativ über die Teilnahme Krumbiegels.
In der Realität war davon aber nichts zu spüren gewesen. „Krumbiegel kam vor Ort sehr gut an“, berichtet Daniel Bahrmann. Er selbst fand den Prinzen-Sänger sehr überzeugend. Bei seiner Lesung habe es keine Störer gegeben – wie bei dem gesamten Fest. Von einer etwaigen Kontroverse um den Sänger war in der Offline-Welt scheinbar nichts zu merken.
Neuerung auf dem Hauptmarkt
Die Planungen für das Literaturfest 2025 laufen bereits. Geplant ist das Wochenende vom 13. bis zum 15. Juni. Konkrete Namen kann Daniel Bahrmann zwar noch nicht nennen, einige Programmpunkte stehen jedoch bereits mehr oder minder fest.
Die Verlagsbühne auf dem Heinrichsplatz sei sehr gut angekommen, weswegen man diese auch im kommenden Jahr wieder einrichten werde. Auch zur Krimibühne habe es positive Resonanz gegeben. Allgemein ziehe das Literaturfest oft Wiederkehrer an. Für den Hauptmarkt arbeiten die Veranstalter an einer Weiterentwicklung. Details darüber will Bahrmann aber noch nicht preisgeben.
Die Stadt Meißen zählt zu den Unterstützern und Sponsoren des Literaturfestes. Angesichts der veränderten Machtverhältnisse im Meißner Stadtrat macht sich Daniel Bahrmann aber keine Sorgen, dass sich daran etwas ändern könnte. „Das Fest ist für die Stadt wichtig“, sagt er, der selbst für die SPD erneut in den Stadtrat gewählt wurde. Und er gibt sich kämpferisch: „Ich denke nicht, dass uns da jemand an den Karren pissen kann.“ (SZ)
